Bloggen soll ja das ganz neue Ding sein. Und weil wir ein junges, hippes Unternehmen mit jungen, hippen Vorgesetzten sind, reiten wir auf der Welle der Frische. Also bloggen wir. Wer nicht bloggt, wird gefeuert. Ich will aber nicht gefeuert werden, ich arbeite gerne hier. Seitdem ich in der Redaktion bin, werde ich in der Stadt respektabler behandelt. Ich darf im Lecca anschreiben lassen, manchmal sogar die Tagessuppe. Ich mag das.
Warum wir schreiben sollen, weiß niemand so genau. Man munkelt, um der Redaktion ein »Gesicht zu geben«. Damit die Nutzer nicht mehr so viel Angst haben und uns öfter besuchen. Wegen der Page-Impressions. Das ist wichtig.
Deshalb gibt es auch keinen Konsens und jeder schreibt, was er möchte. Jens verarbeitet seine Versagensängste, Johannes macht Schleichwerbung für andere Seiten und Dorian beleidigt die Redaktion. Mich verunsichert das.
Solche Vergehen passieren sehr schnell in einer gesetzlosen Zone. Das Redaktionszimmer ist nämlich das Kinderzimmer der Büroetage am Bahnhof. Hier sitzen die jungen Gescheiterten, die ein Alibi brauchen, um nicht an der Uni zu sein. Außer Christian, der macht immer alles richtig (Deshalb darf er auch bald zur FAZ). Am ersten April wird auch im Büro geraucht, aber die Versicherung zahlt alle Schäden.
Die Erwachsenen bekommt man nur zu Gesicht, wenn man neues Kaffeewassser holen geht. Dann muss man nämlich durch den langen, dunklen Flur. An dessen Rändern sitzen die Männer in Anzügen und tippen in ihre Rechner. Wenn man eine zerrissene Jeans anhat, gucken die Leute immer vorwurfsvoll. Man ist dann froh, wenn man wieder zurück zu den Schmuddelkindern kommt. Das Bindeglied ist Andy aus dem Büro nebenan. Andy trägt zwar einen Anzug, war aber früher in den Charts und lässt uns Kaffee aus seinem Kaffeevollautomaten trinken. Er mag uns. Und wir mögen ihn.
Ich habe etwas gelesen: Ein Mann wurde gefeuert, weil er sich via »Twitter« abfällig über seinen Arbeitsplatz geäußert hatte. Twitter! Das ist nämlich das wirklich neue Ding! Dass wir also auf einen verspäteten Medienzug aufspringen müssen, liegt nicht an uns, sondern an Trier. Jörg sagt, Trends kommen erst in Trier an, wenn sie im Rest der Republik schon im Todesröcheln liegen. So wie die Balkan-Beats-Party. Oder das traurige Tex-Mex-Restaurant.
Unsere Führungsetage hingegen ist avantgardistisch. Deshalb gibt es uns auch bei Twitter und deshalb lernen wir jetzt, in 140 Zeichen ansprechend zu schreiben. Das wird das Ende des Blogs und der Anfang des Gezwitschers sein. Was kommt als Nächstes? Ich habe Angst.
www.twitter.com/hunderttausend
Montag, 6. April 2009
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Kopf hoch, du bist nicht allein ;)
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