Freitag, 18. September 2009

Ein Portrait des Künstlers als junger Mann

Eigentlich sind wir eine Kulturredaktion. Das ist gar nicht so im Bewusstsein der Stadt, glaube ich, aber wenn ihr euch den redaktionellen Bereich einmal genau anseht, stellt ihr fest, dass der Großteil unserer Themen in den Bereichen Musik, Theater und Film verhaftet ist (Bis auf ein paar Ausreißer aus den Bereichen Sport und Lokales, aber wenn wir ehrlich sind, sind das vernachlässigbare Größen).

Für uns, die wir diesen Bereich pflegen, bedeutet das natürlich, dass wir intimen und vertrauensvollen Kontakt mit den Vertretern der Bühnen und Leinwände pflegen. Über diese Beziehungen möchte ich heute ein bisschen erzählen (Nachdem mein ursprünglicher Plan, ein Soziogramm der Redaktion zu erstellen, zensiert wurde).

Das ist keine leichte Aufgabe.

Um das Ganze zu veranschaulichen, sollten wir auf unsere Kollegen, die Sportjournalisten schauen: Es gibt das Bonmot, der Fußballberichterstatter sei ein Spieler, dessen Talent nicht gereicht hat. Ich denke, in diesem Gedanken steckt ein Körnchen Wahrheit, das sich auf den Kulturjournalismus übertragen lässt.
Wer über Kunst schreibt, der hat auch eine Affinität zu ihr, sonst wäre er Sportjournalist. Warum ist er kein Künstler?

„Wegen der Brotlosigkeit“ sagen sie dann immer. Aber eigentlich geht es um viel mehr, wir blicken hier auf einen Konflikt von epischer Breite: Zwischen denen, die Sachen machen, und denen, die drüber schreiben.

„Kulturjournalisten sind feige und vergiftet von Neid!“ – Das sage nicht ich, das sagt der Schauspieler.
„Künstler sind weltfremd und arrogant“ – Das sage nicht ich, das sagt der Redakteur, oder einfach nur: „Diese Künstler!“.

Wie können wir das jetzt lösen?

Ich sage: Integration! Mehr Künstler in die Redaktionen! Bei uns läuft das ganz gut. Warum? Weil wir Dorian haben. Dorian ist Schriftsteller und das Gegengewicht zum bürgerlichen Lager. Jeden Freitag kriecht er in die Redaktion, lässt schlaftrunkene Kommentare ab und zieht seine Kumpels als Interviewpartner an Land. Dann verschwindet er wieder. Das bloße Wissen um seine Zugehörigkeit zu uns lässt den Umgang mit den anderen Kulturschaffenden entspannt und ohne Berührungsängste ablaufen. Dorian in der Redaktion ist so, als würde man einem Arachnophoben eine Tarantel auf die Hand setzen - für beide Seiten.

Wenn ich nach Hause gehe, schaue ich deshalb immer beruhigt auf Dorians bunten Balkon. Bunt, weil er voller Pfandflaschen liegt. So wie das sein soll. Heute aber habe ich mich fürchterlich erschreckt, denn viele der Flaschen waren weg und stattdessen stand dort ein kleiner, bürgerlicher Klappstuhl aus Plastik. Was ist da los? Ich hoffe, das war ein Versehen.

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