Generation Praktikum, das Medien-Prekariat, die Kopierwütigen. Aus aktuellem Anlass heute: Ein Wort über Praktikanten. Anlässe sind bei uns selten rein selbstreferentiell, sondern haben immer auch eine zeitgeschichtliche Dimension, das merken leider nur die wenigsten.
Man liest ja allerhand: Über die Hochqualifizierten, die die digitale Bohème suchten und sich ausgebrannt und hochschuldet unter den Abgehängten wiederfanden. Weil die repräsentative Altbauwonung ja Miete verschlingt, während der/der Praktikant/in unbezahlte 70-Stunden-Wochen schiebt und immer alles gendern muss. Weil man das so macht. Was man auch machen muss: kostspieligen Vintage-Dress tragen. Sieht zwar scheiße aus, ist aber teuer. Deshalb müssen sie ihre rare Freizeit auf Mauerpark-Flohmärkten verbringen um der Kostenspirale ein Schnippchen zu schlagen. Und selbst da kann man sich nicht seinem Finanzstatus entsprechend verhalten, denn immerzu muss man auf der Pirsch nach neuen Kontakten und Netzwerken die Augen offen halten und unsympathische Menschen auf 9-Euro Mojitos einladen. Weil man sich ja immer zweimal sieht. Alles das in dem rührenden Glauben, dass ja alles bald besser wird. „Ist ja nur übergangsweise“ sagen sie dann immer und werden ganz traurig. Und der dicke Chef lacht nur und drückt seine Zigarre auf dem geschundenen Praktikantenkörper aus.
Warum ich das erzähle? Weil hunderttausend.de mal wieder die grünende Insel im Meer der Trostlosigkeit ist, die unsere Zeit ist: Hier geht es Praktikanten gut. Wirklich! Deshalb kommen sie so gerne zu uns. Ich habe hier noch nie einen Praktikanten kopieren sehen, und sie kochen auch keinen Kaffee und sie tragen auch keine gezwungen abgetragenen Klamotten. Hier sind sie Mensch, hier können sie sein.
In duldsamer Arbeit bringt man ihnen das Rüstzeug bei, das sie für das Überleben im Bereich „Neue Medien“ brauchen. Bis sie nur noch in HTML-Tags reden, und wenn man sie fragt, ob sie auch ein Bier wollen, dann antworten sie: „Das ist im Template leider nicht vorgesehen“.
Sie müssen auch niemanden auf Mojitos einladen, und können ihre reiche Freizeit mit Müßiggang, Angeln und geistiger Aktivität verbringen. Wenn sie dann fertig sind, bekommen sie eine edle Mappe aus gestärktem Papier mit dem goldenen „H“ als Wappen. Da steht dann drin, wie gut sie sind, und was sie alles gemacht haben: Interviews mit Superstars, Pressekonferenzen und investigative Aufklärungsarbeit in der Großregion Trier/Luxemburg.
Unter diesem Lobgesang steht eine Unterschrift mit richtiger Signatur, und das ist ja bekanntlich unbezahlbar auf dem steinigen Praktikantenweg, den sie noch gehen werden. So schön wie hier wird’s bestimmt nie wieder, aber das liegt vielleicht auch nur daran, dass unsere Chefs nicht fett sind. Sonst würden sie Zigarren rauchen und alles wäre anders.
Dienstag, 1. Dezember 2009
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Wie ich schon zu unserer letzten Praktikantin, dem Marinakäferchen sagte: "Bitte sehr, dein Kaffee."
AntwortenLöschen...