Winston Churchill soll ein kluges Kerlchen gewesen sein. Demokratie definierte er etwa als „Notwendigkeit, sich gelegentlich den Ansichten anderer Leute zu beugen.“ Seit sich diese Staatsform in formaler Hinsicht weltweit zunehmend durchsetzt (wenn auch manchmal mithilfe von Bomben, Terror und Folter), meint jeder, nach Gutdünken sein Maul aufreißen zu dürfen. Dagegen ist prinzipiell sicher nichts zu sagen, ganz im Gegenteil. Problematisch wird es allerdings, wenn die so genannte “künstliche Intelligenz“ ernsthaft zu meinen scheint, an dieser in unzähligen Schlachten gegen Kirche, Staat und Kapital blutig erkämpften menschlichen Schöpfung teilhaben zu müssen.
Seit Anbeginn meiner Tätigkeit nämlich hat es ein Redaktionscomputer darauf abgesehen, mich zu ärgern. Ein Sturkopf, der seinen eigenen Willen durchsetzt und Befehle mal eben geflissentlich ignoriert, wenn er keinen Bock drauf hat. Egal, welchen Browser ich beispielsweise für meine Recherchearbeiten nutzen möchte, um im World Wide Web nach Antworten auf meine unergründlichen Fragen der Existenz zu suchen: in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen hängt er sich mal eben auf und mir bleibt nichts anderes übrig, als gewaltsam alle Fenster zu schließen und komplett neu zu starten. Daran, so mag man nun denken, ist doch nichts weiter Schlimmes, nur halt ein bisschen ärgerlich. Klar, aber das ist noch lange nicht alles.
Wenn ich ihm einimpfe, dass ein Event an Ort A stattfindet, übernimmt er dies nicht etwa, sondern verlegt die Veranstaltung bei der Veröffentlichung einfach an Ort B. Klugscheißen hat er also auch im Repertoire, der olle Elektronenhirni. Manchmal kommt es auch vor, dass sich während der Arbeit einfach alle geöffneten Fenster wie von Geisterhand schließen, ohne mir eine Erklärung zu liefern. Und nicht zu vergessen jene Momente, in denen der Mauszeiger einfach nicht mehr funktioniert oder mir das Abspeichern von Text- und Bilddateien verweigert wird. Dass ich zwischen jammerndem Flehen und fluchendem Schimpfen des Öfteren nicht übel Lust hätte, auf das Teil einzuprügeln, versteht sich da von selbst. Und auch Kathrin dürfte mich nach dem nun folgenden Bekenntnis nicht mehr verdutzt nach meinem bisweilen aggressiv anmutenden, hämmernden Tastaturtippverhalten fragen und spekulieren, an wen ich denn mal wieder Hass-Emails schreibe.
Auch wenn es inmitten dieser Hallen ja durchaus was Ketzerisches hat, gebe ich trotzdem feierlich zu: Computer und ich, das passt einfach nicht zusammen, das verhält sich wie zwei positiv geladene Ionen. Meine ersten PC-Erfahrungen sammelte ich – festhalten bitte – mit schlappen fünfzehn Jahren im Jahr 2000. Neben einer materiell suboptimalen Situation in meinem Elternhaus lag dies vor allem an meinem konsequenten Desinteresse, den Anschluss an die schöne neue Welt zu halten. Während meine Freunde auch später voller Ekstase über ihre Ballerspielerfahrung berichteten und Microsoft-Witze rissen, lachte ich aus Höflichkeit immer mit, ohne zu wissen, worum es überhaupt ging. Wenn zwei Typen mit “Nintendo“-T-Shirts von LAN-Parties erzählten, musste ich immer sofort an eine okkulte Computer-Religion denken, bei der all die Nerds in einem Ritual ein ISDN-Modem der neuesten Generation auf einem PC-Tisch opfern, um ihren Gott, diesen bebrillten Milliardär und Spendenfaschist aus den USA, milde zu stimmen.
Am Ende dieser Woche trieb das Gerät es dann endgültig auf die Spitze. Außer eines schwarzen Bildschirms und ungesund lauten Geräuschen aus dem Rechner war mit dem PC seither in etwa so viel anzufangen wie mit einem Hundertmeterläufer nach der doppelten Beinamputation. Unser CvD fand nach der routinierten Äußerung eines bekannten Kraftausdruckes sogleich die Lösung und redete irgendwas von „Hardware.“ Mit all meinem Nichtwissen wollte ich mich da schon in den Baumarkt verabschieden, um mit einem Vorschlaghammer jene Hardware zu holen, die das Problem tatsächlich gelöst hätte, wurde aber vom kundigen Johannes davon abgehalten und aufgeklärt. Nun versucht unser PC-Doc, das Ding wieder flott zu kriegen.
Tja, und ich bin mit diesen Teilen immer noch nicht warm geworden. Meine PC-Skepsis mag wohl in etwa so logisch sein wie wenn ein Bäcker sein Mehl nicht ausstehen kann oder ein Politiker die Lüge verabscheut. Natürlich weiß ich auch, wie viel Fortschritt diese Dinger der Menschheit gebracht haben und noch bringen werden. Nur sollten sie nicht anfangen, die Handlungsfreiheit zu ihrem Prinzip zu erheben, sondern verdammt nochmal tun, was ich ihnen sage. Falls der PC nächste Woche wieder arbeitsfähig ist, wird er seine Kapriolen hoffentlich abgelegt haben und wissen, wie unangebracht es wäre, mich in jungen Jahren schon durch einen Herzinfarkt dahinzuraffen.
Samstag, 17. Juli 2010
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und was hat das mit Demokratie zu tun, dass sie zu dämlich sind, einen Computer zu bedienen?
AntwortenLöschenLeute, ich weiß, ihr denkt jetzt: Was ein Freak! Der hat kein Leben! Oder zumindest ernsthafte Langeweile. Nichts von alledem - jedenfalls nicht zu 100 %. Ich habe euren Blog gelesen. Von vorne bis hinten. Von Anfang bis Ende. Alle Artikel. Die ganze Nacht. Ich war wie gefesselt. Und ich muß Herrn Hallstein tausendmal beglückwünschen, dass er euch zwingt, diese wunderbaren Sachen zu schreiben. Bloß weitermachen!
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