Freitag, 10. September 2010

Das wird man ja wohl noch sagen dürfen

Wir müssen uns wirklich glücklich schätzen, denn in unserem Redaktionsteam haben wir einen Chef vom Dienst, der seine Führungsrolle nicht nur kompetent, verantwortungsbewusst und ohne jede Überheblichkeit ausführt, sondern obendrein den Weiterbildungsauftrag derart ernst nimmt, dass er seine Untergebenen bisweilen durch ebenso informative wie amüsante Video-Workshops telemedial klüger macht und sie auch sonst stets mit einigen höchst nützlichen Tipps versorgt, ja beim Redigieren neuer Magazin-Beiträge sogar direkt mit weit ausgebreiteten Armen seinen berühmten „Jetzt-Bin-Ich-Aber-Echt-Mal-Wieder-Total-Verwirrt“-Blick aufsetzt, selbigen mit einem artifiziell in die Länge gezogenen „Hä?“ garniert und sogleich die wohlklingende Sentenz „Da sind ja mal wieder einige viel zu lange Sätze drin, das kann man auch in mehreren kurzen Sätze schreiben“ verlautbart, ohne dabei auf übertrieben großes Verständnis im Kollegenkreis zu stoßen; doch darauf kommt es ihm genau genommen ja auch gar nicht an, denn wenn bei uns hier eines klar ist, dann dass unser lieber Herr Friedrich zwar ein Fan innerredaktioneller Demokratie zu sein scheint, beim Thema Satzlänge jedoch schnell zum Kurzsatz-Stalinisten mutiert und alle Sätze mit mehr als zehn Wörtern in den Gulag (also ins Email-Postfach des Autors) schickt, auf dass sie spätestens zur Deadline rank und schlank und gevielteilt wieder zurückkehren und erst gar keine Diskussion aufkommen mag, was allerdings schade ist, denn lange Sätze haben durchaus auch ihren Charme; besonders, wenn man bedenkt, dass die größten Rhetoriker des Landes sich dieses Stilmittels äußerst gerne bedienten, womit natürlich in erster Linie die Zeit gemeint ist, als es im Lande noch gute Redner gegeben hat, denn mit Lafontaine ist kürzlich vorerst der letzte Wortakrobat in seinen persönlichen Gulag (also zurück nach Saarlouis) gezogen und die Wehners und Brandts sind schon seit langem ein Festmahl für die Würmer; es gibt unter den alten Schlachtrössern mit Franz-Josef-Strauß aber einen, der konnte lange Sätze zelebrieren, dass einem das artifiziell in die Länge gezogene „Hä?“ im Halse stecken bleibt; von Strauß mag man ja inhaltlich halten, was man will, aber er überbrachte seine reaktionären Botschaften als ins Komödiantische hinüberspielende Einsätzer, und wer weiß, vielleicht lässt sich unser CvD ja doch nochmal davon überzeugen, dass lange Sätze nicht zwangsläufig die Inkarnation des Bösen sein müssen, womit aber vorerst nicht zu rechnen ist, weshalb manch ein Langsatzfetischist der Redaktion trotz der sonst immer nützlichen Ratschläge durchaus recht froh sein darf, dass zumindest die Blogeinträge (noch?) an der Zensurbehörde namens Chef vom Dienst vorbei ans Licht der Öffentlichkeit geraten können.

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