Sonntag, 30. Januar 2011

Wie sich Springer seine "Elite" heranzüchtet

Als offizieller Weiterbildungsbeauftragter der hunderttausend.de GmbH halte ich regelmäßig Ausschau nach mehr oder minder brauchbaren Kaderschmieden für den journalistischen Nachwuchs. Nicht, dass ich das gerade dank unserer Umsetzung des Westwelleschen Spruches "Leistung muss sich wieder lohnen" massiv im Aufstieg befindliche Event-Flaggschiff der Region Trier/Luxemburg zu verlassen beabsichtigen würde. Nein, es geht dabei in gänzlich unbescheidener Manier vor allem darum, zu schauen, warum wir für diese formal-bourgeoisen Ausbildungswege ganz einfach überqualifiziert sind. Besonders augenfällig zeigt sich das bei meinem dieswöchigen virtuellen Streifzug durch die Axel-Springer-Akademie.

Die Axel-Springer-AG möchte "Journalisten" ausbilden. Dafür wurde am 1. Januar 2007 die "Axel-Springer-Akademie" errichtet.

Mathias Döpfner, der stets vorschriftsmäßig mit Hirn- und Haupt-Pomade beschmierte Big Boss des Unternehmens, wirbt für seine propagandistische Brutstätte mit dem knackigen Satz:

„Die erste Adresse für eine moderne, medienübergreifende Journalistenausbildung und zugleich der kreative Thinktank, das Zukunftslabor des Verlages.“


Die Springer-Schüler verbleiben in der zweijährigen Ausbildung stets alle auf dem gleichen Verdienstniveau von 1.200 Euro – Franz Josef Strauß würde ob dieser sozialistischer Umtriebe sicher im Grabe rotieren, wenn sein Leibesumfang zum Todeszeitpunkt dafür nicht leider zu üppig gewesen wäre…

Während der Zucht zum investigativen Journalisten dürfen die Springerlinge nun bei Qualitätszeitungen wie "Bild", "Hörzu", "Welt" oder "Welt kompakt" hospitieren, wo ihnen das Redakteurshandwerk mit all seinen Facetten näher gebracht wird.

Um eines Tages dem erlauchten Kreis der "Bild"-Redakteure anzugehören, müssen jedoch Hürden überwunden werden, eine schwieriger als die andere.

Zunächst steht ein so genannter Auswahltest an: Die Bewerber bekommen 30 Fragen gestellt, für deren Beantwortung ihnen 60 Minuten Zeit bleiben. "Puh", mag man denken, ganz schön anspruchsvoll… Schaut man allerdings genauer hin, fällt eines schnell ins Auge: Die Fragen weisen bis auf wenige Ausnahmen eine derartige Schlichtheit auf, dass sie jeder regelmäßige "Bild"-Leser mit Leichtigkeit beantworten kann. So hat die Akademie beispielsweise die Fragen des Auswahltests aus dem Jahr 2006 online gestellt:

A. Multiple Choice
Es können mehrere Antworten richtig sein — oder auch keine.

1. Am 11. September 2001 war
• a) Condoleezza Rice Außenministerin der USA
• b) Saddam Hussein Staatschef des Irak
• c) Mahmud Abbas Palästinenserpräsident
• d) die Türkei Mitglied der Europäischen Union

2. Geschah es am 9. November?
• a) 1918 – Kaiser Wilhelm II. dankt ab
• b) 1923 – Hitlers Putschversuch wird niedergeschlagen
• c) 1918 – Philipp Scheidemann ruft in Berlin die Republik aus
• d) 1938 – Nazis inszenieren die Reichspogromnacht

3. Wie lautet der erste Satz im Artikel 1 des
Grundgesetzes?
• a) Vor dem Gesetz sind alle gleich
• b) Die Würde des Menschen ist unantastbar
• c) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern
• d) Männer und Frauen sind gleichgestellt

4. Welcher Maler hat sich ein Ohr abgeschnitten?
• a) Rembrandt
• b) Van Gogh
• c) Van Dyke
• d) Turner

5. Beim Tie-Break im Tennis
• a) gewinnt der Spieler, der zuerst 7 Punkte und zwei Punkte Vorsprung hat
• b) wird die Spielfeldseite alle 6 Punkte gewechselt
• c) wechselt das Aufschlagsrecht das erste Mal nach dem ersten Punkt
• d) heißt das Satzergebnis stets 7:6

6. Was ist SARS?
• a) eine politische Partei
• b) Aufschrift auf Rettungshubschraubern
• c) Bezeichnung für eine Krankheit
• d) eine südamerikanische Wirtschaftsvereinigung

7. Der Reformplan von Peter Hartz
• a) Sah die Zusammenlegung von Arbeits- und Sozialämtern vor
• b) Scheiterte an einem Korruptionsskandal bei VW
• c) Sollte auch der Bekämpfung von Schwarzarbeit dienen
• d) Sollte Versicherungsbeiträge von Firmen reduzieren, die Entlassungen vermeiden

8. Günter Grass
• a) ist Ehrenbürger seiner Heimatstadt Danzig
• b) erhielt 1999 den Friedensnobelpreis
• c) schrieb den Roman „Gruppenbild mit Dame“
• d) trat 1939 der Waffen-SS bei

9. Paul McCartney
• a) ist in zweiter Ehe mit Heather Mills verheiratet
• b) komponierte den Song „Imagine“
• c) ist der Vater einer Modeschöpferin
• d) wurde von der Queen geadelt

B. Fragen ohne Antwortvorgabe

1. Wer malte die Mona Lisa?
2. Wie heißt der Konzern-Chef der Deutschen Bank?
3. Was ist der „Dax“ und bei welchem Wert ungefähr stand er gestern?
4. Was ist Attac?
5. Was war das erste am Fließband produzierte Auto? Wann und wo war das?
6. Wen oder was wählt der Deutsche bei der Bundestagswahl mit der Zweitstimme?
7. Wie viele Länder gehören derzeit der EU an?
8. Nennen Sie die 16 deutschen Bundesländer mit den jeweiligen Regierungschefs.
9. Wer komponierte die Melodie der deutschen Nationalhymne?
10. Nennen Sie wenigstens vier Tages- oder Wochenzeitungen aus dem Axel Springer Verlag (keine Zeitschriften oder Magazine!)
11. Was ist ein Grand Slam im Tennis?
12. Wo hat das Europa-Parlament seinen Sitz?
13. Wer ist Simon Rattle?
14. Unter den Top Ten der Forbes-Liste mit den reichsten Menschen der Welt finden sich seit vielen Jahren auch zwei Deutsche. Um wen handelt es sich?


Nun würde man von einem Journalisten, der uns Otto Normalverbraucher immerhin die Welt zu erklären hat, eigentlich etwas mehr erwarten als das durchschnittliche Neuntklässerwissen in Sozialkunde.

Ein eindrucksvollerer Beweis dafür, dass überregional arbeitende deutsche Medienschaffende in ihrer grenzenlosen Selbstverliebtheit von der "normalen" Bevölkerung gerne extrem überschätzt werden, gibt es gar nicht. Nun kann man argumentieren, dass die "Springer-Elite" nun mal weniger Hirnschmalz besitzt als die Kollegen von den hochtrabend "seriös" genannten Medien. Der Gegenbeweis ist aber allein damit erbracht, dass zahlreiche "Journalisten", die bei Springer ihr "Handwerk" gelernt haben, gerne auch von Burda, Spiegel, Bertelsmann etc. aufgenommen werden.

Halt, werden einige exzessiv gegelte BWL-Klugscheißer jetzt sagen: Besteht man den ambitionierten Einstellungstest bei der "Springer-Akademie", ist man doch noch keineswegs angenommen. Rischdisch! Die nächste Hürde bedeutet tatsächlich eine sehr große Überwindung. Der potenzielle Springer-Schreibtischtäter muss nämlich seinen Eid auf die allgemeinen Unternehmensgrundsätze der "Axel-Springer-AG" schwören, auch wenn auf jeder "Bild"-Ausgabe die Wörter "unabhängig" und "überparteilich" dem Leser süffisant entgegenblicken. Springers Grundsätze beinhalten unter anderem wörtlich:

Das unbedingte Eintreten für den freiheitlichen Rechtsstaat Deutschland als Mitglied der westlichen Staatengemeinschaft und die Förderung der Einigungsbemühungen der Völker Europas.


Da freut sich sicher der Türke, gegen dessen EU-Beitritt "Bild" seit Jahren eine islamophobe Stimmung macht ebenso wie der "Pleite-Grieche", dem "Bild" im vergangenen Jahr unter anderem empfahl, seine Inseln zu verkaufen.

Das Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen, hierzu gehört auch die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes.


Wer in der Lage ist, zwischen den Zeilen zu lesen und ab und zu die Springer-Blätter durchforstet, dem ist klar, was damit gemeint ist: Die israelische Strategie der permanenten Unterdrückung des palästinensischen Volkes muss sich stetiger und bedingungsloser publizistischer Unterstützung durch Springer erfreuen.

Die Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika


Auch hier ist das Entziffern des stumpfsinnigen Springer-Codes nicht schwer. Wenn "Bild" kurz vor den Präsidentschaftswahlen in den USA 2004 titelt: "10 Gründe, warum George W. Bush für Deutschland der bessere Präsident ist", wird dieser Grundsatz konkretisiert: Die Solidarität (wieder so ein sozialistischer Begriff, bei dem sich das alte Schlachtross Strauß sträuben müsste…) mit den USA meint im Springer-Falle lediglich die Unterstützung der Neokonservativen, deren einziges Ziel darin besteht, zur Aufrechterhaltung der eigenen geostrategischen und ökonomischen Interessen den Weltfrieden dauerhaft zu verhindern.

Die beiden Grundsätze

- die Ablehnung jeglicher Art von politischem Totalitarismus


und

- die Verteidigung der freien sozialen Marktwirtschaft


meinen im Grunde auch nur eines: Jede politische Vereinigung, die in Deutschland auch nur im Entferntesten soziale Gerechtigkeit herzustellen versucht, muss vom Springer-Imperium – notfalls durch mehr oder weniger offene Mordaufrufe – bekämpft werden.

So lässt sich nach diesem Ausflug in die Auslese der Springer-Akademie ein klares Fazit ziehen:

Willst du für Springer in die Tasten hauen, musst du dir erst mal dein Gehirn rausbauen.

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