Freitag, 8. Mai 2009

Abstriche machen

Es gibt diese frühen Morgenstunden, in denen ich unseren Bürotrakt betrete und alles ist still. Die Kollegen sind noch in weiter Ferne und die Büronachbarn der allseits beliebten Eventagentur noch auf dem Karstadt-Dach am werkeln. Für mich heißt dieses Fernbleiben jeglicher Ablenkungsfaktoren, dass ich mich voll und ganz auf die Arbeit konzentrieren kann – Mist.

Die Konzentration weicht meist nach der Lektüre der ersten Presse- und Veranstaltungsmitteilungen. Unter diesen Nachrichten finden sich doch weiß Gott immer wieder kleine Schätzchen sprachlicher Fehltritte. So bekam ich jüngst folgende Mitteilung über die bevorstehende Heimsuchung der Moselstadt durch Hamburger Marktschreier auf dem Viehmarkt:

»Marktschreier-Tage mit Kram- und Schnäppchenmarkt auf dem Viehmarktplatz in Trier. Mit dabei: Käse/Joghurt-Sven, Aal-Axel, Wurst-Wattwurm, Staubsauger-Jürgen & Co. Extra für die Mama's: Blumen-Appie.«

Mal abgesehen davon, dass die bildhaften Namen
brüllender Krämer für sich selbst sprachen, sprang mir natürlich insbesondere die Blumen-Appie ins Auge, begibt sie sich doch extra für die Mama’s nach Trier.

Einige Deutschsprecher haben scheinbar noch immer den Eindruck, das Plural-S könne ohne Apostrophierung nicht überleben. Ein anderer Sinn lässt sich für mich zur Erklärung dieser orthographischen Verirrungen auch nicht erkennen. Selbst die Engländer schaffen es, ohne Apostroph ihre Nomen zu vervielfältigen.

Zu Verirrungen kommt es bei hunderttausend.de auch im realen Leben. Spätestens dann, wenn junge Damen unsere Räumlichkeiten betreten. Mein gepeinigtes Herz beginnt trotz Müdigkeit in ungeahnter Frequenz vor sich hinzupulsieren, in der Hoffnung die leidliche Frauenquote in der Redaktion zumindest für einen Moment in ungeahnte Höhen schnellen zu lassen.

Die Freude währt meist nicht lange. Spätestens dann, wenn die junge Dame einen kleinen Terminzettel zückt und sich nach dem Wartezimmer des Gynäkologen in unserem Bürogebäude erkundigt, ärgere ich mich darüber, womöglich die falsche Profession gewählt zu haben. Es zeigt sich einmal wieder: Ob im deutschen Plural oder zwischen den Beinen einer Frau – manchmal lohnt es sich, Abstriche machen zu können.

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