Angenommen, ein Leser käme auf die Idee, uns einmal bei der Arbeit zu besuchen (was selten genug vorkommt), so stünde er zunächst einmal vor dem Rätsel, das Teile der Redaktion schon seit Einzug in den Bürokomplex (Bahnhofstraße 30-32) bewegt:
Im rechten der zwei Aufzüge befindet sich – soweit ist das ja in Ordnung – ein Knopf für jede Etage. Dort finden sich Unmengen an kompetenten, gut besuchten Ärzten, ein schulpsychologisches Zentrum, eine dubiose Internetagentur mit dem avantgardistischen Namen "klick" und vieles mehr.
Erst weit, weit oben – in der dritten Etage – befindet sich das Green-IT-Unternehmen ICT und sein Geschwür, hunderttausend.de. Und hier beginnen die Unstimmigkeiten: Während alle Etagenknöpfe in jungfräuliche Chromtönen funkeln, findet sich neben unserem Namensschild nur noch die kraterhaften Überreste eines ausgeblichenen, zerbeulten Etagenknopfes, auf dem - schamhaft versteckt und kaum leserlich - die Hinterlassenschaft einer 3 prangt.
Wer zu Anfang aufgepasst hat, weiß jedoch, dass wir die Hallen der dritten Etage erst seit Januar dieses Jahres besetzen. Nun drängt sich also die Frage auf, welch stark frequentiertes Dienstleistungsunternehmen vor uns auf der Etage wütete und einen derartigen Verschleiß unseres Etagenknopfes verschuldet hat.
Eine Suchanfrage nach der Adresse führt zu folgendem Ergebnis: Ein mysteriöses Online-Angebot, dessen Namen kein Ohr je vernommen hat und an dieser Stelle auch nicht erscheinen soll. Unter der Rubrik Firmentätigkeit/Keywords findet sich unter anderem folgendes Schlagwort: "Parties Bahnhofstr. 30-32"
Aha.
Mit der unbehelligten Nutzung unserer Büroräume als Amüsiermeile einer bessergestellten Feierbagage wäre nicht nur der desolate Zustand unseres Aufzugs erklärt, sondern auch das zeitweise Auftreten leerer Litschi-Sektflaschen und falscher Feueralarm wegen Rauchens in den Büroräumen.
Aber ich habe einen konkreten Verdacht.
Neben den fleißigen, lebensverneinenden Arbeitstieren von hunderttausend.de gibt es nämlich auch noch andere Auffassungen von "Arbeit" in unserem Trakt. Manchmal hören wir sie, bei angelehnter Tür. Sie tragen Sonnenbrillen, hippe Klamotten und lehnen mit Dosenprosecco an ihren Bürotüren. Sie sind die neue Mitte, sie sind die digitale Bohème, sie haben unseren Aufzug auf dem Gewissen:
Die Agentur 3MB.
Manchmal lassen sie sich herab, zu uns hereinzusehen. Dann sagen sie Dinge wie: „Könntet ihr den Sonntagsbrunch auf der SkyLounge bitte noch in den GastroGuide eintragen?“. Damit wir keine Fragen stellen, werden wir mit Erdinger alkoholfrei ruhig gestellt.
"Parties in der Bahnhofstr. 30-32" – Das war nur ein Vorspiel. Sie haben die Bahnhofstraße abgegrast und sind weitergezogen. Mittlerweile hat Karstadt sie am Hals. Immer gewillt, die Nacht durchzutanzen, tragen sie ihre Sonnenbrillen auch nachts, denn ihre Devise lautet „Dress to Impress“. Sie sind die Menschen, die niemals müde sind. Über alldem wacht wie ein ewig junger Vater: Ihr Guru und Meister Andy B. Jones.
68 Stufen müssen seine Jünger nun erklimmen und warum man ihnen dort keinen Aufzug zur Verfügung gestellt hat, ist ja jetzt klar.
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