Scheißfreundlich

Ich bin prinzipiell ein netter Kerl. Genau dieses Manko wird mir manchmal zu einer Bürde. Gerade dann, wenn sich Menschen in meiner Umgebung darum bemühen, mich mit belanglosen Gesprächen zu langweilen, halte ich tapfer durch, nicke freundlich und suche verzweifelt nach Ausstiegsoptionen, um der ungewollten Konversation doch noch zu entfliehen.

Seit wir in unserer WG einen Zwischenmieter haben, wird mir das Bedürfnis nach Ruhe selbst in meinem ureigensten Refugium verwehrt. Unser Zwischenmieter ist nett, umgänglich, redselig und ständig am Grinsen: scheißfreundlich eben. Wenn dann noch bei jeder unbedachten Bemerkung von mir automatisch ein gezwungenes Lachen folgt, ist es mit meiner Laune eigentlich schon vorbei.

Diese Leute haben insbesondere das prekäre Defizit nicht zu merken, wann sie fehl am Platz sind. Ich könnte gerade die Liebe meines Lebens soweit beackert haben, dass sie problemlos meiner Aufforderung folgen würde, die nächsten Stunden gemeinsam im Bett zu verbringen. Scheißfreundliche Personen hätten kein Problem damit, unsere Bettgeschichte mit ihrer Anwesenheit und unnützen Tipps zum Liebesspiel zu bereichern.

Trotzdem würde ich als netter Karl natürlich einen Teufel tun und den armen Tropf wieder vor die Tür setzen. Es wäre ja, als würde man sein eigenes Kind verstoßen. Da bleibt nicht viel übrig, als ihn mit einer Tasse Kakao und einer Tafel Nuss-Schokolade solange ruhig zu stellen, bis das nächste Opfer die Wohnung betritt. Alternativ kann man den Kleinen auch ins nächste Kino schicken.

Oder man macht es wie ich und radiert die Belohung für eine erfolgreiche Eroberung einfach von seinem Ereignishorizont. Stattdessen backt man Muffins und lädt ihn zum gemeinsam Kaffeeplausch mit dem eigenen Damenbesuch ein. Er würde ja ohnehin ungefragt die Küche stürmen, um sich zu uns zu gesellen. Und wenn sich die beiden dann gut genug verstehen und schlussendlich doch in seinem Zimmer verschwinden, habe ich zwar immernoch keine Eroberung aber zumindest wieder meine Ruhe...