Freitag, 15. Oktober 2010

Kickern mit der Spiegel-Bestsellerliste

Vergangene Woche war Buchmesse. Schon wieder. In Frankfurt. Also Frankfurt im Westen. Am Main. Nicht in der Zone. Also nicht an der Oder. Erschreckenderweise sind wir bei hunderttausend.de über dieses Highlight der kapitalistischen Kultur einfach so wortlos hinweggegangen. So geht das natürlich nicht. Wir machen jetzt aber keinen Rückblick. Zu langweilig. Stattdesen soll hier ein kleines Experiment gewagt werden. In einem fiktionalen Tatsachenbericht über eine Freizeitaktivität vierer Protagonisten aus der hunderttausend.de-Redaktion – deren Namen aus Gründen des Schutzes der Privatsphäre hier rückwärts geschrieben werden – soll es gelingen, die ersten 25 Titel der Spiegel-Bestsellerliste (Sachbuch) aus der Buchmessen-Woche unterzubringen, und zwar in der korrekten Reihenfolge.



Hin und wieder treffen sich einige Mitarbeiter aus der Redaktion, um in einer benachbarten Kneipe mit dem majestätischen Namen "Bierakademie" einer Sportart nachzugehen, die deshalb so angenehm ist, weil die große körperliche Anstrengung durch exzessiven Biergenuss ausgeglichen werden kann. Meist sind es vier Leute, die beim Kickern ihre harten Arbeitstage ausklingen lassen: Flar Dieh, Naitsirhc Norab, Nirhtak Guhcs und Sennahoj Hcirdeirf. Neulich ist es wieder soweit gewesen.

Als das Quartett in die Arena einläuft, brüllt an der Theke ein angetrunkener Mittvierziger seinen Nebenmann an und rudert dabei derart wild mit seinen schwabbeligen Armen, dass er dem sichtlich verdutzten Sitznachbarn sein Bier überkippt. Nach einer halbherzigen Entschuldigung können die vier das Fazit des Streits noch vernehmen. Ein Streit, der eigentlich keiner war, denn im Grunde sind die beiden Diskutanten sich einig: "Ich mein, ist doch wahr, Deutschland schafft sich ab!"

Im hinteren Kneipenareal positionieren sich die hunderttausendler am Kickertisch in der gewohnten Startformation: Flar Dieh und Sennahoj Hcirdeirf (Team Rot) spielen gegen Naitsirhc Norab und Nirhtak Guhcs (Team Blau).

Naitsirhcs Einstiegsfrage an Sennahoj zielt gleich auf eine Einschüchterung des Gegners: "Wie lange hast du denn schon kein Spiel mehr gewonnen?"

Sennahoj bläst die Backen auf, kneift ein Auge zusammen, blickt zur Decke, kratzt sich am Oberstübchen und stößt – bis auch der letzte betrunkene Anwesende seine Nachdenktätigkeit wahrgenommen hat – ein lautes "Puuuuuuuuuh" in die alkoholgeschwängerte Kneipenluft hinein. "Seit ungefähr 3096 Tagen. Ist aber ein Schätzwert."

"Boah, nicht schlecht", kichert Naitsirhc. "Bei mir wäre das Ende der Geduld sicher schon nach 3095 Tagen erreicht…"

Nirhtak zieht Naitsirhc unauffällig zur Seite und ermahnt ihn eindringlich: "Pass lieber auf! Wenn der betrunken ist, dann holt er seine Freunde vom Tresen her und die prügeln dich dann bis an die Enden der Welt!"

Naitsirhc tupft sich den Angstschweiß von der Stirn, bis das Spiel endlich beginnt. Team Rot erwischt einen guten Start und geht gleich mit 3:1 in Führung.

Naitsirhc spürt, dass er seine Psycho-Tricks auspacken muss: "Naja, der große Entwurf ist das noch nicht"

"Papperlapapp", blafft Flar entrüstet zurück. "Nachher fragt keiner mehr danach, unterm Strich zählt nur ein Sieg!"

Die Unkonzentriertheit nutzen Naitsirhc und Nirhtak, um durch einen lupenreinen Hattrick mit 4:3 in Front zu gehen. Nun fährt Naitsirhc stärkere Geschütze auf und beginnt, das Spiel zu kommentieren:

"Der Ball befindet sich jetzt in der Mitte. Des Lebens wechselvolles Spiel zeigt sich hier in aller Deutlichkeit, denn eben noch wollten die Roten ausgleichen, da befinden sich die Blauen schon wieder im Angriff!"

Wieder wird Flar nervös und schreit: "Halt endlich dein Maul, du Essensfälscher!"

Sichtlich entgeistert schaut Naitsirhc zu Flar: "Was ist denn das für ne Beleidigung, das hab ich ja noch nie gehört?"

"Keine Ahnung, fiel mir halt grade so ein… Ich bin nunmal Stammwähler der Grünen, da beleidigt man sich auf diese Weise…"

Trotzdem lassen die Blauen nun kaum eine Torchance ungenutzt und versenken den Ball locker und leicht zum 6:3-Sieg.

Was die Roten sichtlich erzürnt. "Oh Mann, ein echter Höllenritt!", entfährt es Sennahoj.

Naitsirhc und Nirhtak klatschen sich ab und loben ausgiebig ihre Zusammenarbeit: "Tja, sowas nennt man Teamwork, denn Glück kommt selten allein..."

Sennahoj atmet tief durch. "So eine Scheiße! Ich könnt jetzt glatt zehn Tiere essen vor Wut!"

Im Siegestaumel hat Nirhtak dafür natürlich nur Spott übrig: "Musst halt üben, üben, üben. Wut allein reicht nicht."

Aber Team Rot motiviert sich da schon für die zweite Runde: "Achtung Baby! In der nächsten Runde ziehen wir euch ab!"

Und die läuft für die Blauen sehr schlecht. Torwart Naitsirhc lässt einen Ball nach dem anderen passieren. "Oh Mann, jetzt steht hier alles aufm Kopf! Winter im Sommer - Frühling im Herbst..."

Als die Roten das Match mit 6:1 klar gewinnen, springt Sennahoj mit ausgestreckten Armen voller Freude durch den Raum und ruft ekstatisch: "Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?"

Eindeutig zu viel für die verärgerte Nirhtak, die sich entgeistert an den gelockten Kopf greift: "Ich fass es nicht... Unser Chef vom Dienst hüpft hier durch den Raum wie der patagonische Hase vom Dienst..."

Doch nun will auch Flar es wissen und ballt die Faust: "Klappe zu, ihr Scheißkerle! Nicht so viel Kinderkacke labern, denn in der Finalrunde geht’s jetzt um die Wurst."

Und wieder läuft es für die Roten viel besser. Eine Kombination nach der anderen landet im Tor. Nach zwei Minuten steht es 5:0.

Naitsirhc zeigt sich völlig konsterniert, während die weiterhin optimistische Nirhtak die Fehler analysiert: "Irre! Wir behandeln die falschen Spieler mit unseren Pässen. Spiel mal mehr über die Bande in den Angriff, dann hau ich die Dinger schon rein!"

Flar, der sich gerade in einen Rausch gespielt hat, wittert Taktik und will diese Verzögerung nicht dulden: "He, spielt endlich weiter, ihr Luschen!"

Erschrocken blickt Naitsirhc auf: "Was bist du denn so aggressiv?"

Ebenso grinsend wie trocken fällt Flars Antwort aus: "Das ist die Radikalität des Alters!"

Irgendwas muss dem Blauen Team nun einfallen, sonst verlieren sie das Spiel. Da bleibt Nirhtaks Blick beim flimmernden Fernseher stehen. Das ist es! Ein Ablenkungsmanöver!

"Guck mal da, da ist ja der Dieter Nuhr auf Sendung!"

Sofort drehen sich die bekennenden Nuhr-Fans Flar und Sennahoj um: "Wo, wo???"

Diese Unachtsamkeit lassen sich Naitsirhc und Nirhtak natürlich nicht entgehen. Tor! Nur noch 5:1!! Und die Serie bleibt bestehen, denn auch die nächsten fünf Bälle donnern wuchtig ins gegnerische Gehäuse. 5:6, Sieg für Blau!!!

Flar und Sennahoj sind außer sich. "Ihr Penner! Wenn ihr so weiter macht, dann spielen wir gleich noch das ganze Jahr durch und ihr werdet immer verlieren. Denn das wird dann unser Jahr! hunderttausend.de muss dann von Lekcoj Nietslah und Nairod Ffohniets alleine betrieben werden!"

Sennahoj regt sich sogar dermaßen auf, dass er in Ohnmacht fällt. Mühsam wecken die drei Kollegen ihn wieder auf. Nirhtak schlägt ihm mit der flachen Hand auf die Backe und stellt eine Kontrollfrage: "He, Sennahoj, alles klar? Was ist vier minus drei?"

Doch Sennahoj scheint nicht ganz bei sich zu sein und redet im Delirium: "Übern Berg ists weiter als zu Fuß! Prügeln kann man sich am besten mit der Schlagsahne! The Secret – Das Geheimnis! Ich sehe einen Engel! Du, du da!"

Die drei sehen sich fragend an und realisieren, dass Nirhtak gemeint ist. Wild gackernd heben die drei hunderttausendler Sennahoj auf und tragen ihn zum Tresen, wo er nach einem gepflegten Wodka wieder zu sich kommt und die Geschichte seines Deliriums mit dörflichem Humor nimmt. Die Niederlage im Kickern aber hat er noch nicht verdaut: "Nirhtak, nach diesem unfairen Sieg muss ne Revanche her, du falscher Engel!"

2 Kommentare:

  1. Anonym15.10.10

    Das ist ein Meisterwerk.

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  2. Ab der 60. Minute wird Fußball erst richtig schön. Aber da bin ich immer schon unter der Dusche...Schön zu lesen;-) Dein Flar Dieh

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