Freitag, 11. März 2011

Liebe ist…Kontaktanzeigen schalten

Sie war immer, ist immer, und wird immer sein. Von der Wiege bis zur Bahre sind alle Menschen in dem Streben vereint, zu lieben; von der ersten bis zur letzten Welt finden Männer und Frauen sich in dem innigen, unschuldigen Wunsch vereint, geliebt zu werden. Fundament aller Weltreligionen, evolutionäre Triebfeder der Fortpflanzung, ewiger Sinn all unseren Lebens. Die Liebe, könnte man sagen, ist der Bestseller unter den Gefühlen. Würde man ein Kompendium über die Geschichte der Liebe schreiben, hätte dieser Band kein Anfang und kein Ende. Irgendwo in der Mitte würden sich all die Bettgeschichten und Liaisonen versammeln, mit denen die Liebe ihren Legendenstatus gefestigt hat: Wir würden von Cäsar und Cleopatra lesen, von den Zweckehen europäischer Königshäuser, von Carla Bruni und Sarkozy und irgendwo dazwischen auch eine Fußnote zu Bettina Wulff. Im Vorwort würde stehen: "Die Liebe erträgt das alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand."

Auch der Kleinanzeigenmarkt von hunderttausend.de war einst ein geschäftiges, florierendes Forum der Liebe. In reger Betriebsamkeit wurden in der Rubrik "Kennenlernen" Bekanntschaften geschlossen, potentielle Partner taxiert, verworfen und vergessen. Diese demütigenden Mühen waren aber schnell verflogen, wenn zwei Herzen sich hier fanden, und die Liebestollen einige Wochen nach der Anzeige "Suche netten Freund" die Anzeige "Suche nette Wohnung für mich und meinen Freund" folgen ließen. Weil aber leider nicht alle Nutzer sich an die Etikette einer fairen und niveauvollen Partnersuche halten wollten, sahen wir uns gezwungen, die beliebte Rubrik auf unbestimmte Zeit zu sperren, um sie zu überarbeiten

Seitdem die Liebe ihrer Plattform beraubt wurde, erklingen noch vereinzelte Brunftrufe in Fremdrubriken wie "Sport und Freizeit" und "Verloren/Gefunden". Sie fristen dort ein befremdliches Dasein; wenn man zufällig auf sie stößt, kostet man den bitteren Geschmack der Einsamkeit. Ihre Aufrufe verhallen ungehört in den kalten, leeren Weiten der Anzeigen-Prärie. Entmutigen lassen die Letzten ihrer Art sich davon allerdings nicht. Unermüdlich schalten sie Anzeigen, als ginge es ihnen längst nicht mehr um die Liebe, sondern um den Widerstand. Man ist versucht, diese mutigen Männer und Frauen "Helden unserer Zeit" zu nennen. Ihre Liebe ist ein "Trotzdem"-Schrei, ein Zeichen des Protestes gegen eine Welt, die das Lieben verlernt hat.

Diese heroische Pose lässt glauben, hoffen, standhalten. Vor allem aber schreit sie uns auf tiefstem Herzen die letzte aller Wahrheiten entgegen: "Die Liebe hört niemals auf."

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