Sonntag, 3. April 2011

Der Leser macht die Zeitung

Der "Die-Welt-Ist-Schlecht"-Prediger schlägt wieder zu: Im Rahmen einer sogenannten Forschungsarbeit, die meinen formalen Bildungsabschluss künstlich verbessern soll, beschäftige ich mich derzeit sehr viel mit Online-Leserkommentaren in überregionalen Medien. Neben den Kommentatoren bei BILD Online treiben sich meiner Einschätzung nach die meisten geistigen Blutgrätschen in den Foren von WELT Online herum. Aus meinem Datenkorpus zum Thema "Bildungsungerechtigkeit" biete ich hier einen Ausschnitt amüsanter Statements.

Eine der Verbreitung sozialistischen Gedankenguts gänzlich unverdächtige Organisation wie das Deutsche Studentenwerk (DWS) kommt in der 19. Sozialerhebung zur "wirtschaftlichen Lage der Studierenden in Deutschland" zu dem Ergebnis, dass den ärmeren Schichten in Deutschland nach wie vor aktiv der Zugang zu höherer Bildung versperrt wird.

Die nackten Zahlen: Von 100 Akademiker-Kindern studieren 71, von 100 Kindern aus Nicht-Akademiker-Familien studieren nur 24. Die Chance von Arbeiterkindern, ein Studium aufzunehmen, ist fünfeinhalbmal niedriger als bei Beamtenkindern. "Hochschulbildung", so DWS-Präsident Rolf Dobischat, "gleicht weiterhin einem "kulturellen Kapital", das von Akademiker-Generation zu Akademiker-Generation weitervererbt wird. Die Hochschulen mögen einigen den Bildungsaufstieg ermöglichen. Noch stärker aber sichern sie den akademischen Status in der nachfolgenden Generation ab." Weniger wissenschaftlich ausgedrückt: Das deutsche Bildungssystem ist auf die Förderung des sozialen Inzest ausgerichtet.

Ein Thema, das medial immer wieder aufgegriffen wird. In meinem Privatarchiv auf meiner externen Festplatte, die ich in meiner Mottenkiste verstaut und aufgrund des wissenschaftlichen Fortschritts nun wieder herausgekramt habe, fand ich einige "Welt Online"-Leserkommentare aus dem Jahr 2007, als die seriös getarnte Intellektüllenpostille aus dem Hause "Springer" über die Vorgängerstudie des DWS berichtete. Einige Leser sahen sich damals genötigt, ihre Gedanken zum Thema "Bildungs(un)gerechtigkeit" auszukotzen. Einige davon seien hier kommentiert angeführt, um nachzuweisen, welch stumpfsinnige Ideologie in vielen Hirnfriedhöfen der Republik umherspukt.

John meint:
19-06-2007, 16:07 Uhr
(…) Oft liegt es nicht an den Kindern und Jugendlichen, sondern auch an den Eltern, die gar nicht möchten, dass ihre Kinder studieren. Vielleicht sollte das auch bedacht werden.


Logischer geht’s kaum: "John" kennt ja natürlich sämtliche nichtakademischen Eltern und kann daher beweisen, dass dieses faule, dumme Pack für seine Kinder nur das Schlimmste will und sie vom Lernen abhält.


dr. dummheit meint:
19-06-2007, 16:07 Uhr
vielleicht liegt es auch daran, dass intelligenz erblich ist? und nicht nur geld....


Wie "dr. dummheit" zu dieser Ansicht kommt? Nun, vielleicht liegt es ja auch daran, dass dummheit erplich und das Hihrn von "Welt"-Lehser generell verderblich ist?

Wedigo meint:
19-06-2007, 16:15 Uhr
Ist schon mal jemand auf die geniale Idee gekommen, dass Intelligenz (die ja irgendwie notwendig ist für ein Studium, nicht wahr?) schließlich auch von den Eltern an das Kind weitergegeben wird? Und das diese Eltern möglicherweise auch in der Lage sind, ihren Kindern ganz andere Hintergründe und ganz anderes Wissen zu vermitteln, das nicht in der Schule vermittelt wird, bzw. werden kann! So wird allein schon ein Grundinteresse an die Kinder weitergegeben mit dem diese sich dann auch selbst gerne Abends vorm schlafen gerne mal ein Wissensbuch ansehen anstatt eines 3000. Lustigen Taschenbuchs. Und dieses Interesse hält sich dann oft auch lange, bis hin zum Abitur.
Abgesehen davon hilft da auch der sozialistische Einheitsbrei, der ja gerade wieder heiß gemacht wird von der SED und anderen Kräften, die sich so gerne als Volk bezeichnen. Es muss und kann vorallem nicht jeder studieren!
Außerdem reicht das BAFöG- Geld völlig aus!!! Ich bekomme es doch glücklicherweise selber und es reicht massig. Der Staat kann nicht dafür verantwortlich sein den Studenten Urlaub oder sowas zu bezahlen... So jetzt dürfen sich hier alle, die immer noch nicht verstanden haben, was "aus Geschichte lernen" eigentlich heißt, über mich zerreißen, viel Spaß!


Hier hab ich mich sofort gefragt: Wie mag Wendigo wohl aussehen? Ich tippe mal auf einen fein gegelten und herausgeputzten Anzugträger, dessen arrogante Visage die Weisheit eines Pavians birgt. Seine "Argumente jedenfalls" lassen keinen anderen Schluss zu. Die praktische Erfahrung eines jeden, der etwa schonmal die juristische oder Lehramts-Fakultät einer Uni sowie die zugehörige Biomasse persönlich gesehen hat, ist nämlich, dass man alles andere als Intelligenz benötigt, um ein Studium erfolgreich zu absolvieren. Man muss vielmehr eine Jasagermentalität ausbilden und den Lehrenden möglichst bis zum Anschlag in den Arsch zu kriechen in der Lage sein.

Unschlagbar ist auch die Logik, wonach jeder Akademikersprössling vor dem Zubettgehen ein "Wissensbuch anschaut" statt des "3000. lustigen Taschenbuches". Abgesehen davon, dass eine solch unverfrorene Herabwürdigung des Lustigen Taschenbuches an Blasphemie grenzt, stellt man sich die Muttersöhnchen vor, wie sie im Windelalter ihren Schiller zitieren und Wissensbücher rezipieren statt – wie jedes debile Unterschichtenkind – gepflegt in die Buchse zu kacken und ansonsten auf der faulen Babyspeckhaut zu liegen und Lustige Taschenbücher zu fressen.

Gunther Grunert meint:
19-06-2007, 17:29 Uhr
Ist es nicht so das gerade die "Armen" alles in den schoß gelegt bekommen. In der Jugend den ganzen Tag Party gemacht, dann kein ordentlicher Beruf nach gegangen. Bekommen ihre Kinder doch durch Bafög alles geschenkt und Studiengebühren müssen sie auch nicht zahlen. Denn wer Bafög erhält ist befreit von Studiengebühren. Weil meine Eltern sich von klein auf abgerackert haben dürfen sie jetzt auch noch die Ausbildung ihrer Kinder selbst zahlen. Und ich hab weit weniger als ein Kind das Bafög erhält. Mein Kühlschrank ist permanent leer. Hier wird halt immer Faulheit belohnt und die die was erreichen wollen und vorwärtskommen wollen leben unter dem existenzminimum. Kommt mir also bitte nicht mit so ein scheis wie das Kinder von Facharbeitern kein Geld für Studium haben, Die kreigen es noch vom Staat geschenkt.


Jaja, man hat es ja irgendwie immer schon gewusst: Wir leben im Sozialismus! Diese scheiß faulen Prekariatspöbelsäcke bekommen alles nachgeschmissen und hart arbeitende Menschen wie diese, dieser oder diese werden mit überhöhten Steuersätzen und Hungerlöhnen abgespeist.

RATIonalist meint:
19-06-2007, 18:53 Uhr
So ein Schwachsinn. Es ist nur einfach so, dass Kinder von "armen" Eltern die Faulheit geerbt haben. Jeder hat in D die gleichen Chancen. Man muss einfach lernen.


Aha! Sehr interessant. Da haben wir endlich die Formel des Erfolges gefunden. Wer arm ist, ist faul. Ganz einfach. Nun müssen wir nur noch Aktionsprogramme gegen Faulheit in Afrika starten. Ist ja auch nur richtig, dass diese ganzen abgemagerten und halb verhungerten Kinder in Äthiopien nix zu fressen haben, solange sie ihren faulen knöchrigen Arsch nicht hochbekommen und als Investmentbanker harter körperlicher Arbeit nachgehen.

NotInParadise meint:
19-06-2007, 16:54 Uhr
wer reich ist, studiert -> so wie früher ... und früher war alles besser ... basta


Besser hätte man es kaum auf den Punkt bringen können. Denn eines ist auch klar: Es macht weitaus mehr Spaß, die Kommentare solcher Dummdödel zu lesen als das von allen Parteien (außer der bekannten liberalen SpaSSpartei) immer wieder gerne wiederholte Mantra, wie wichtig der Abbau der ach so empörenden Chancenungerechtigkeit im Bildungssystem sei, ohne dass irgendjemand ernsthaft daran interessiert wäre, dass der ganze Laden auseinandergenommen wird, denn (siehe oben): Die Bildungsschicht betreibt sozialen Inzest und weiß selbst nur zu genau, dass ihre verwöhnten Gören plötzlich ernsthaft zu arbeiten anfangen müssten, wenn jeder die gleichen Ausgangschancen hätte. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss.

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