Freitag, 24. September 2010

Dezemberfieber, nicht nur im Radio

Als Pendler hat man es nicht leicht. Den Spritpreis kann man in unserer Region durch einen Abstecher nach Luxemburg ein wenig regulieren, aber dem Verkehrsfluss ist man gnadenlos ausgeliefert. So kann es schon mal passieren, dass auf Grund von plötzlich und über Nacht entstehenden Baustellen der Arbeitsweg um 15 Minuten oder mehr gestreckt wird.

Mein Arbeitsweg zum Beispiel ist etwas mehr als 40 Kilometer lang. Die ersten 10 davon sind Landstraße, der Rest - bis zum Ortsschild Trier - Autobahn. Wenn man auf dem Land aufgewachsen ist, hat man sich mit der Zeit an vieles gewohnt: Sowohl menschliche Erscheinungen, wie Winzer auf langsamen Traktoren, die auf dem Weg in den Weinberg sind um sich ihren Reben und Trauben zuzuwenden, welche darauf warten, "gegippelt", gespritzt oder gelesen zu werden oder natürliche Viechereien wie Rehe, Füchse, Wildschweine, Marder, Vögel, Mäuse, Frösche, Katzen, Hasen und Hunde – um nur einige zu nennen – welche die Straße spontan und ohne Zebrastreifen überqueren, in der Hoffnung auf der anderen Seite das zu machen, was man als Tier halt auch immer macht, nachdem man eine Straße überquert hat ohne vorher nach rechts und links zu sehen.

All dies hat seinen Sinn und Zweck, wenn er uns auch verborgen zu sein scheint. Sinnloser wird es dann schon bei Radfahrern, die meinen, ein Trikot und Helm entbindet sie von der Pflicht, ausgeschilderte Radwege zu benutzen, welche nicht etwa in schlechtem Zustand sind oder ihnen einen anderen Ausblick liefern als die Hauptstraße, auf welcher sie für langsam fahrende und fluchende Autofahrer sorgen, im Gegenteil, diese Radwege verlaufen parallel zur Trasse der Straße und sind eben so frisch geteert.

Fast so nervig sind Touristen, die dann mit ihren Wohnwagen und sonstigen Kraftfahrzeugen mit Kennzeichen in allerlei witzigen Farben und Buchstaben- so wie Zahlenkombinationen in einem Tempo vor meinem Auto herschleichen, dass man sich doch den Radfahrer in seinem viel zu engen Trikot zurückwünscht. Die halten wenigstens nicht spontan an, ohne einen Blinker zu setzen, nur weil sie allem Anschein nach so fasziniert von Weinbergen sind, dass es unmöglich scheint, einen der vielen Aussichtspunkte oder Parkplätze anzufahren, denn man muss SOFORT einen Blick auf die Landschaft werfen und Erinnerungsfotos schießen.

Das schöne ist, dass alles seine Zeit hat. Die Traktoren sind ganzjährig unterwegs, werden aber zur Traubenlese im Herbst mehr, Tiere sind vornehmlich abends und nachts anzutreffen, Radfahrer nur in den sonnigeren Monaten, wenn diese auch sonnig sind und Touristen ebenfalls. Zum Jahresende hin, wenn die Tage kürzer, die Temperaturen kälter und das Wetter schlechter wird, sind die Straßen meist frei. So frei, dass sich dort Bauarbeiter ausbreiten können, weil sich viele Gemeinden denken: "Jetzt können wir noch das restliche Budget verblasen". Der Volksmund kennt diese Krankheit unter dem Namen "Dezemberfieber". Das führt dann dazu, dass auf den ersten 10 Kilometern Arbeitsweg auf einmal drei (!) Ampeln zu finden sind, vor denen man dann steht und wartet. Hört Radio. Wartet. Hört Radio. Guck sich die Landschaft an. Wartet. Fragt sich, warum im Sommer so viele Touristen hierher kommen. Hört Radio. Hört im Radio von weiteren Baustellen. Denkt sich, dass könnte man mal Bloggen. Wartet. Und sehnt sich in die vergangenen Monate zurück, in denen es zwar langsam vorwärts ging, aber wenigstens ging es vorwärts…

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